Die Weihnachtsgeschichte, – jedes Jahr die Geburt Jesu, – wir hören sie gern, Gegen alle widrigen Umstände wird hier ein Kind geboren. Das rührt uns. Wer ein Neugeborenes anschaut und in Händen hält, weiß etwas von dem Zauber, dem Wunder, den der unverstellte Blick des Kindes auslöst. Er rührt im Innersten an.
40 Tage nach der Geburt Jesu bringen die Eltern nach alter Tradition Jesus in den Tempel, um Gott zu danken. Da begegnen sie Simeon, einem Propheten. Schon lange wartet er auf den Messias. Er hat eine große Sehnsucht, – wird er es merken, wenn der Messias ihm begegnen wird? Er weiß, es muss eine besondere Ausstrahlung von ihm ausgehen, eine, die seine innerste Seele berührt. Es ist die Hoffnung und der Glaube, dass Gott selbst Mensch wird. Die alten Weisheitsbücher sprechen vom Friedensfürst und Heiland.
Simeon hat sein ganzes Leben daran festgehalten, dass der Messias geboren wird. Lange musste er warten.
Auch wir kennen Wartezeiten. Der Advent als vorweihnachtliche Zeit, ist so eine Zeit. Auf was warte ich? Was wünsche oder ersehne ich mir? Der Theologe Dietrich Bonhoeffer drückte die Zeit des Wartens einmal so aus: „Auf die größten, tiefsten, zartesten Dinge in der Welt müssen wir warten, da geht’s nicht im Sturm, sondern nach den schöpferischen Gesetzen des Keimens und Wachsens und Werdens.“
Atmen wir einmal kräftig durch. Vielleicht können wir innerlich und äußerlich still werden, um uns dem Tiefen und Zarten, dem Neugeborenen, dem Heilsamen zu nähern.
Links und rechts von der Krippe zünden wir zwei große Kerzen an! (Strahler auf Krippe richten)
Heute, in dieser Stunde, darf ein Wunder geschehen. Wie damals im Tempel können wir versuchen, hier an der Krippe einzutauchen in das Erkennen des Simeon: „Meine Augen haben das Heil gesehen“.
Was ist hier geschehen?
Simeon, der alte Prophet im Tempel hat Augen, die schauen können, die sehen etwas, was unter der Äußerlichkeit liegt. Als kleines Kind. Das geht zu Herzen. So kommt Gott in die Welt. Simeon aber sieht mehr. Er erkennt in diesem Kind eine Botschaft, die alles verändern kann, eine Wahrheit, die alle Weisheit der Welt umfasst. Dieser Blick des Kindes meint es gut mit Simeon. Dieser Blick meint es gut mit jedem und jeder, mit mir, mit dir, hier darf ich sein, wie ich bin, hier bin ich angenommen und schön – auch mit meinen Schattenseiten. Mein ganzes Leben ist mit einem Mal gut getragen – heil. Durch dieses Kind schaut mein Gott mich an. Simeon spürt: das ist heilsam. Darum kann er sagen: „Ich habe das Heil gesehen.“ Das macht ihn glücklich, erfüllt ihn. Gott gibt es nicht nur in dieser Welt – irgendwie, als Ganzes. Gott gibt es für jeden und in jedem von uns. Darum ist das Schauen wichtig. Ich muss richtig hinsehen, meine Augen öffnen für das Wundervolle, für das Göttliche, in dem sich Gott selbst seiner Schöpfung geschenkt hat: in mir, in dir, in allen Menschen.
Wenn ich spüre, wenn ich erfahre, als die Person, die ich bin, geliebt zu sein, fühlt sich das heil an. Nicht mein Aussehen, meine Stellung, meine Gesundheit oder mein Alter spielen da eine Rolle. Ich bin angeschaut, in Blick genommen, bejaht. Das hat nichts mit Perfektion zu tun. Das Leben ist nicht perfekt, unsere Lebenssituationen sind nicht sorgenfrei – und doch kann darin Heilsames geschehen. Dass unter aller Bruchstückhaftigkeit unseres Lebens Heilsames geschehen kann, dass Gott in uns Heilsames erwachsen lässt, dass mit Gott das Heil in jeden von uns gekommen ist, das ist die Zusage dieses Kindes in der Krippe. Geboren in einer zerrütteten Welt, armselig, verfolgt, missverstanden. Auch bei ihm kein Glanz und Ruhm. Und doch, die göttliche Liebe schaut uns in dem Kind in der Krippe an. Sie sagt: So wie du bist, bist du gewollt, bejaht und schön! Gib meiner Liebe Raum, gib mir Wohnung in Dir, schafft einander eine Wohnung für mich.
Heilsame Erfahrung.
Ja, vielleicht kann man sagen, die liebende Zusage Gottes braucht einen Raum, braucht Wohnung in mir, ja sucht eine Wohnung in mir, in jedem von uns. Dieser Raum soll warm und gastlich sein. Ein solcher Raum kann Quelle des Heils für mich und andere sein. Einer solcher Raum strahlt aus, setzt Energie frei. Könnte es das gewesen sein, was Simeon im Tempel in dem Kind als das Heil gespürt, gesehen, erfahren hat? Was er für sich und dann auch in sich entdeckt hat? Was es in jedem Menschen zu entdecken geben könnte?
Machen wir uns auf die Suche nach unserem Heil, nach dem göttlichen Grund in uns und anderen. Schaffen wir Gott eine Wohnung und geben wir seiner Liebe Raum. In unserem Leben, in unserem Alltag, in unseren Mitmenschen. Wer weiß, wo wir unser Heil erfahren?
… und vielleicht lassen sich heilsame Erfahrungen sogar weitertragen? Was könnte das heißen?
Manchmal geht es um Vergebung. Mir selbst in meiner Fehlerhaftigkeit vergeben, oder einen Schritt auf den anderen zuzugehen, auch wenn ich nicht alles verstehe.
Heilsame Erfahrungen lassen sich weitertragen, wenn ich genau hinschaue und mutig bin, eingreife, wo Menschen beleidigt, missachtet werden und Hilfe brauchen.
Heilsame Erfahrung kann mir Kraft geben, meine Tür zu öffnen und mich auf Menschen einzulassen, die traurig oder einsam sind. Vielleicht kann ich so sogar eine „Wohnung für Gott in anderen“ auftun, sie dort besuchen und bei ihm oder ihr die Spuren der göttlichen Zusage entdecken.
Heilsame Begegnungen.
An Weihnachten leuchtet diese Freude auf. Heute gilt der Blick des göttlichen Kindes in der Krippe meiner Seele und ich darf mich mit allen hier i[n der Kirche) daran freuen.
Betrachten Sie jetzt gern ihre Kerze und schauen Sie, was Ihre Seele heilt und zum Leuchten bring! Amen.
Ein gesegnetes und besinnliches Weihnachtsfest wünscht Ihnen allen das Vorbereitungsteam der Weihnachtsvesper: Ulla Bürger, Ira Blessing, Jürgen Deters, Brigit Kühl und Norbert Lübke
Den Text der Ansprache zum Ausdrucken oder Weiterreichen finden Sie nochmal hier!
